14.2.06

Anfang Mai. - Nachts. - Halb zwei.
Tatsächlich , halb zwei, anders ausgedrückt ein Uhr dreißig.
Der Wecker geht und leicht entschlüpft man dem Bett, in das man erst zwei bis drei Stunden zuvor gekrochen ist.
Schnelle, automatische Morgenverrichtungen.
Der Kopf schläft noch.
Aus dem Haus und rein ins Auto. - Um halb drei steht man am Treffpunkt.
Stille ringsumher.
Der Asphalt ist nass, die Lichter der Straßenlaternen spiegeln sich in der Nässe.
- Stille. -
Ein Brummen ertönt, wird lauter. - Ein tiefergelegter Golf. - Ein Disco-Heimkehrer.
- Stille. -
Wieder ein Brummen. - Ein Mitsubishi Pajero. - Aha, ein Hahnjaga!
Jetzt kommt der Freund.
Hinein in den warmen Geländewagen und in den Sitz gekuschelt.
Ein Morgengruß, dann Schweigen.
Es ist nicht die Zeit für Tratsch, jeder schwingt noch halb in seinen Träumen.
Der Dieselmotor brummt eintönig. - Aus dem Autoradio klingt leise Spätnachtmusik.
Dann die Nachrichten. Auch die klingen in der Nacht anders, der Sprecher spricht leiser, gedämpfter, als ob er darauf bedacht sei, niemanden zu wecken.

Nach einer Stunde ist man oben am Berg, im (noch) halbwegs dichten Wald.
Der Motor erstirbt, mit ihm das Autoradio.
Draußen bläst ein leichter Bergwind. - Die Sterne funkeln am klaren Himmel.
In der Ferne die Pistenbefeuerung des Flughafens Klagenfurt.
Eine schöne Nacht, eine helle Nacht.

Wenige leise Anweisungen werden geflüstert.
Die Jacke wird außen auf den Rucksack gebunden.
Dere Rucksack wird umgehängt, das Gewehr geschultert.
Langsam beginnt man den Aufstieg. - Schritt für Schritt.
Die Bäume stehen weiter auseinander, der Wald wird lichter.
Ein Zaun. -Die Alm.
Jetzt geht es eben weiter.
Ein Schneefeld. - Noch ein Zaun. - Der große Stein.
Jetzt ein bißchen abwärts. - Man ist am Ziel.

Vom alten Almstadel zeugen nur mehr ein paar weiße Hölzer.
Für Sichtschutz reichen sie noch allemal.
Der Rucksack wird abgesetzt, das Gewehr an die Hölzer gelehnt.
Hinein in die warme Jacke, bevor der Wind den leicht verschwitzten Körper auskühlt.
Das Dreibein-Jagaschammerle aufgeklappt und heraus mit der Thermoskanne.
Wie köstlich kann doch ein schwarzer Tee mit ein bissl Rum sein.

Die Sterne funkeln. - Der Hadenbach rauscht. - Ansonsten Stille.
Man stützt die Ellbogen auf die Knie und legt den Kopf auf den Unterarmen zur Ruhe.
Nåpfatzn hat es der Großvater genannt.
Die Gedanken rinnen träge durch den Kopf.
Der Traum schleicht sich an und spielt mit dem Wartenden.
Die Zeit verliert an Dimension.

Tschschuuiii.

Weg ist der Traum.
Der Kopf bleibt auf den Knien, aber man ist hellwach!
Die Ohren werden auf größtmögliche Empfindlichkeit eingestellt.
War es eine Täuschung, oder war es wirklich? Tschschuuhuii!

Tschschuuiii. - Ja!

Ja! Ja! Ja! Da ist er.
Der Puls beschleunigt.
Man hebt die Augen, blickt über die Hölzer. Tschschui.
Jetzt, jetzt!
Knapp unterm Horizont
ein hellgraues Spiel
vor dem dunkelgrauen Hintergrund des Almbodens. - Tschschui.
Das Licht wird besser.
Jetzt tanzt die schwarze Kugel auf dem dunkelgrauen Almboden.

Die Nacht verliert ihre Schwärze.
Der schwarze Ritter tanzt am Horizont.

Zwei, drei Hahnen,
ein paar Hennen.

Ist man Mensch oder Vogel?
Ist man Jäger oder Liebeswerber?

Die Widersacher sind vertrieben,
der Platzhahn balzt allein, er bläst, er rodelt.
Der Himmel wird rot.
Der Hahn baumt auf.

Bald kommt die Sonne.
Das Herz steigt auf, steigt auf, steigt auf.

An diesem wunderbaren,
an diesem wunderbaren,
an diesem Neubeginn schenkenden,
an diesem Frühling verkündenden,
an diesem neues Leben spürbar verheißenden

an diesem -
Hahnenmorgen